Im Gespräch mit Andrea Ellenberger

Wer deine Geschichte kennt, fragt natürlich als erstes nach deiner Gesundheit. Wie geht es dir und vor allem deinem Rücken heute?

Danke, recht gut. Natürlich spüre ich nach grossen Belastungen meinen Rücken immer noch. Aber es ist kein Vergleich mehr zu den Schmerzen, die ich vor meiner Operation hatte. Zudem habe ich Tage, an denen ich völlig schmerzfrei bin. Das ist ein völlig neues Gefühl für mich. Aber ich möchte nicht mehr allzu viel darüber reden. Ich musste da durch und jetzt schaue ich vorwärts.

Aber zeitweise konntest du ja wirklich kaum oder gar nicht mehr auf den Ski stehen. Hast du in all den Jahren nie ans Aufgeben gedacht?

Es tönt eigenartig, aber tief in meinem Innern nicht. Bei jeder erneuten Verletzung habe ich gesagt: Diesmal versuche ich, mich nochmals zurück zu kämpfen. Beim nächsten Ereignis ist aber definitiv Schluss. So ging das jedes Mal wieder weiter. Ich war immer überzeugt, dass ich schnell fahren kann, wenn alles stimmt. Wirkliche Tiefschläge erlebte ich, als mein Trainer und enge Bezugsperson in einer Lawine ums Leben kam. Und vor und nach meiner Rückenoperation wusste ich nicht, ob ich je wieder würde Rennen fahren können. Für mich war jedoch klar, dass ich nochmals Vollgas gebe, falls es möglich würde. Und so ist es ja jetzt zum Glück.

2016 bist du aus dem Kader von Swiss Ski gefallen. Das war sicher ein herber Rückschlag?

Ich muss gestehen, dass dies ein eigentlicher Tiefpunkt war. Da wusste ich wirklich nicht mehr weiter. Es gab irgendwie keine Perspektiven mehr. In einem solchen Fall hilft auch der stärkste Wille allein nicht mehr weiter. Da ist man auf die Unterstützung seines Umfeldes angewiesen. Auf ein solches Team im Rücken kann ich zum großen Glück jederzeit zählen.

Welches sind deine wichtigsten Bezugspersonen?

Dazu gehören ganz klar mein Freund und Trainer Silvan Epp sowie meine Familie. Mein Vater Manfred und meine Mutter Margrit und auch mein Bruder Marco haben mich in der Vergangenheit immer bedingungslos unterstützt. Mein Vater hat in seiner Jugend den Karatesport wettkampfmässig betrieben. Meine Mutter war Leichtathletin. Deshalb haben meine Eltern immer viel Verständnis gehabt für meinen Sport und meinen Ehrgeiz. Und schliesslich waren sie es, die mir das Skifahren beigebracht haben. Meine Eltern haben mir auch gezeigt, dass es im Leben Biss und Durchhaltewillen braucht, wenn man ein Ziel erreichen will. Mein Lebenspartner Silvan Epp war viele Jahre lang mein Konditionstrainer. Nach dem Aus im Kader von Swiss Ski hat er mir zuliebe sein Pensum bei Swiss Ski reduziert und mich auch technisch betreut. Ihm verdanke ich enorm viel.

Ist es nicht schwierig, ohne Unterstützung durch Swiss Ski seine Karriere fortzusetzen?

Das ist definitiv so. Der Ausschluss aus dem Kader war wie gesagt ein wirklicher Knackpunkt in meiner Skikarriere. Da bin ich buchstäblich psychisch in ein Loch gefallen. Aber aufgeben wollte ich einfach nicht. Ich wollte nochmals beweisen, dass ich an der Spitze mithalten kann. Wir haben uns am Familientisch zusammengesetzt und beraten, wie es weitergehen könnte. Meine Eltern und mein Lebenspartner Silvan Epp haben mir zugesichert, mich weiterhin zu unterstützen. So haben wir einen Finanzplan gemacht und ein Team zusammengestellt.

Wer gehört zu deinem Team?

Es sind dies Personen, denen ich ebenfalls sehr viel verdanke, ohne die ich heute nicht da wäre, wo ich jetzt bin. Zum Team gehört natürlich Silvan Epp. Weiter dabei und unglaublich wertvoll für mich sind mein Physiotherapeut Mauro Bove, mein Sportarzt Patrick Meyer, mein Mentalcoach Urban Lutz, mein Vater Manfred sowie mein Skitrainer Alex Singenberger.

Im Herbst 2018 kam das Aufgebot von Swiss Ski für den Weltcup. Nach wenigen Rennen warst du sogar für die WM in Are vom Februar 2019 qualifiziert. Damit konntest du nun wirklich nicht rechnen?

Die Teilnahme an der WM in Are war nie ein Saisonziel und daher auch nicht wirklich präsent in meinen Gedanken. Realistisches Ziel war der Europacup. Dass es zu mehr gereicht hat, ist natürlich wunderbar. Ich habe wahrscheinlich nicht mehr allzu viele Chancen, um an die Weltspitze vorzustossen, deshalb muss ich eine Gelegenheit wie eine WM gezielt nutzen. Zusammen mit meinem Mentalcoach habe ich mich auch im Kopf darauf vorbereitet. Es soll der Wendepunkt werden auf dem Weg zurück.

Die WM in Are war ein Traum. Aber, was dort passiert ist, übersteigt alle Erwartungen, oder nicht?

Dass ich mit einer Goldmedaille von der WM heimkehre, fühlt sich immer noch beinahe unwirklich an. Ich durfte Teil dieses wundervollen Schweizer Teams sein. Das macht unglaublich Freude. Im Riesenslalom erreichte ich zwei Tage später einen Top-Ten-Platz. Darauf darf ich sicher ebenso stolz sein. Ich hatten ja nur wenige Vorbereitungsrennen. Aber ich habe immer an mich geglaubt, genauso wie mein Umfeld. Ich kann schnell fahren, wenn alles stimmt. Das habe ich immer gewusst und nun auch bewiesen. Das gibt mir unheimlich viel Kraft und Zuversicht für die Zukunft.

Interview geführt von Paul Felber

 

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